GASTBEITRAG VON PROF. ULRICH L. ROHDE
Seit 1933 ist Rohde & Schwarz für Präzisionsmesstechnik bekannt und Frequenz und Zeit sind wichtige physikalische Größen, deren genaue Bestimmung immer wichtig war. Mit einer Normalfrequenz lässt sich zum Beispiel die Zeit sehr genau bestimmen. 1000 Schwingungen pro Sekunde, oder nach dem Physiker Heinrich Hertz benannt 1000 Hz, bedeutet als Kehrwert 1mS.
Die Aufgabe, ein solches Zeitnormal zu entwickeln, war meinem Vater wichtig und als 1938 die ersten Oszillatoren aufbauend auf Piezoelektrizität erfunden wurden, lag der Gedanke, diese als Frequenznormal einzusetzen, nahe. Die ersten wirklich stabilen Quarzoszillatoren arbeiteten auf 100 kHz und hatten, was wir heute einen CT-Schnitt nennen. In modernen Quarzoszillatoren finden wir den Stress kompensierenden Schnitt, SC genannt. Der eigentliche Oszillator hatte einen 100 kHz-Teil und eine robuste 1 kHz-Stimmgabel, deren einhundert Mal vervielfältigtes Signal (Oberwellen der verzerrten Schwingung) dann mit den 100 kHz verglichen und nachgeregt wurde. Ein Ausgang der 100 kHz-Stufe wurde dann direkt an die Uhrenmechanik weitergegeben.
Am 7. Juli 1938 beantragte mein Vater das Deutsche Reichspatent 691 848 „für ein Frequenz Standard mit einem piezoelektrisch kontrollierten Oszillator“, das am 7. Mai 1940 erteilt wurde.
Zwei Beispiele dafür, wie wichtig eine hohe Zeitgenauigkeit ist, sind folgende:
Nach der Erfindung des Cäsium-Atom-Resonanzfrequenz-/Zeitnormal wurde die Aussage von Einstein zur Zeit (Relativitätstheorie) nachgemessen. Es wurden zwei identische Atomuhren genommen, die eine blieb ortsfest, die andere wurde in einem Flugzeug mitgenommen auf eine kleine Reise und nach der Heimkehr wurden die Zeitanzeigen verglichen und eine sichtbare Differenz wie folgt erklärt:
Das hängt mit Einsteins Relativitätstheorie zusammen. Die besagt, dass die Zeit für Objekte, die sich in Bewegung befinden, langsamer vergeht als für solche, die sich nicht bewegen. Genauso verhält es sich, je näher man sich an einer schweren Masse wie der Erde befindet. Die Zeit vergeht für Menschen im All deshalb um den Faktor 1,0000000007 schneller als für einen auf der Erde.
Ein anderes Beispiel ist die exakte Bestimmung der Erdbeschleunigung g aus der gemessenen Fallgeschwindigkeit v. Die Fallgeschwindigkeit ergibt sich so:
v = 0,5 x g x t²
Aus der extrem genauen Messung der Geschwindigkeit mit einer elektronischen Stoppuhr kann der Wert der Erdbeschleunigung berechnet werden:
g = 9,81 m/s²
In beiden Fällen ist ein hochgenaues Zeitnormal erforderlich.
Das Bild oben zeigt den Aufbau, und dieser war im Vergleich zu anderen Frequenznormalen im weitesten Sinne tragbar. Neben der hohen Frequenzgenauigkeit war das der Vorteil der R&S-Anlage.
Das Interessante an diesem Frequenzstandard ist die Nutzung einer Regeschleife, mit der es möglich ist, Oszillatoren mit einer guten Kurzzeitstabilität (für hohe Signalqualität) und solche mit guter Langzeitstabilität (für gute Zeitgenauigkeit) zu kombinieren. Damals konnte man zum Beispiel noch nicht im Hochvakuum befindliche und mikrophoniearme Quarze bauen, sodass die Kurzzeitstabilität noch durch die bereits erwähnte Stimmgabel garantiert wurde.
Bei den modernen Frequenz- und Zeitnormalen sind die Regelreferenzen vertauscht. Das von R&S um 1970 zum ersten Mal vorgestellte Frequenz-/Zeitnormal XSRM mit einem rauscharmen 5 MHz-Quarzoszillator benutzte die Langzeitstabilität der Rubidium-Gasresonanz, während der Quarz für die Kurzzeitstabilität und damit für die Signalqualität zuständig war.
Heute werden zum Beispiel in GPS-Satelliten hochgenaue Cäsium- und/oder Wasserstoff-Maser-stabilisierte Signale verwendet.
U. L. Rohde, „Mathematical Analysis and Design of an Ultra Stable Low Noise 100 MHz Crystal Oscillator with Differential Limiter and Its Possibilities in Frequency Standards“, 32nd Annual Symposium on Frequency Control, Atlantic City, NJ, USA, 1978, pp. 409-425, doi: 10.1109/FREQ. 1978.200269.
Erstveröffentlichung im Rohde & Schwarz Magazin „Inside“, November 2023